Schnipsel: „Das Katzenhaus“ („Tessa, reloaded“)- Prolog

Dieses Buch gibt es eigentlich schon. Allerdings ist es nie wirklich Fisch und nie wirklich Fleisch gewesen – zu wenig mystisch für Mystery, zu wenig romantisch für Romance, zu wenig Fantasy für Urban Fantasy. Und da solchen Projekten neu schreiben guttut und es bei gravierenden Änderungen erfahrungsgemäß weniger Arbeit macht, von vorn anzufangen statt zu überarbeiten, wird es Tessa jetzt in einer ganz anderen Form noch einmal geben – als urban-fantasy-Märchen für romantische Crazy Cat-Ladies.

Prolog

Eine Katze kann das Heimkommen in ein leeres Haus in ein
„nach Hause kommen“ verwandeln.
(Pam Brown)

Alles ist eins. Nichts endet einfach so. Immer wieder schließen sich Kreise. Das Leben hat keinen Anfang und kein Ende. Das Leben geht weiter. Es mag vielleicht einen Augenblick innehalten, doch irgendwann beginnt der Kreislauf wieder von neuem und dann geht auch das Leben weiter. Und so findet Verlorenes immer wieder den Weg zurück zu denen, die vermissen.

Er wusste es tief in sich. Alles war eins, und irgendwann schloss sich jeder Kreis. Alle seiner Art wussten um den Kreislauf des Lebens und seine Geheimnisse. Leben war nicht gleich Leben. Er erinnerte sich an das Leben, in dem er einen Körper besessen und Hunger und Durst verspürt hatte, und er erinnerte sich daran, welche Aufgabe er damals gehabt hatte. Jetzt lebte er ein anderes Leben, sein Körper war fort, Schmerz und Leid waren verschwunden, Verlangen und Begierden fort, aber seine Form war noch immer da. Er erinnerte sich, dass dieser Körper ein schöner Körper gewesen war, geschmeidig, kraftvoll und elegant. Er war bewundert worden, er war geliebt worden wegen seiner Schönheit, seiner Anschmiegsamkeit, seiner Treue.
Und genau diese Treue war es, die ihn an diesen Ort und in diese Form zurückgetrieben hatte. Witternd hob er den Kopf und prüfte den Wind, der durch die Erinnerung seiner Schnurrhaare und seines langen, dichten weißen Pelzes strich. Er war zurück. Unter den Pfoten konnte er den Weg fühlen, die kleinen runden Kiesel, das Moos, die Grasbüschel zwischen den Steinen. Der Geruch hatte sich kaum verändert. Wie jeden Spätsommer hing der Duft nach reifen Äpfeln in der Luft, die Süße der Astern und Dahlien, eine Ahnung von Kastanien, die bald von den Bäumen fallen würden. Er hatte Kastanien immer gemocht, sie rollten über den Boden und er konnte sie jagen.
Das Haus hatte sich verändert, natürlich hatte es das. Es war alt geworden, es gab keine Menschen mehr, die darin lebten. Die Tür war verschlossen, die bunten Scheiben blind und voller Sprünge, auf der Treppe und der Terrasse vor dem Eingang wuchsen Flechten und Moos. Er trat auf die glatten braunen Fliesen, die im Sommer immer so warm gewesen waren. Jetzt lag feuchtkalter Abendtau über ihnen.

Er setzte sich und sah sich um. Er war der erste, aber er wusste, die anderen würden kommen. Der Schwarze und die Gestromte. Worte fielen ihm ein, Worte, mit denen er und die anderen gemeint gewesen waren. Voller Liebe waren sie ausgesprochen worden von einer sanften warmen Stimme, begleitet von zärtlichen Berührungen.
Winter.
Sie hatte ihn Winter genannt, weil sein Fell so weiß wie frisch gefallener Schnee war, den Schwarzen Nacht und die Gestromte Zwielicht. Sie hatten jedes Wort verstanden, das sie zu ihnen gesagt hatte, denn sie hatte eine Gabe genutzt, die alle Menschen in sich tragen, aber derer sich nur wenige bewusst sind. Sie hatte die Gabe erkannt und benutzt und darum waren sie Freunde geworden: Winter, Zwielicht und Schatten und die Frau, die den Tieren half.
Winter spitzte die Ohren, als die anderen aus den Büschen traten und sich zu ihm gesellten, Schatten an der einen, Nebel an der anderen Seite. Ihre Gedanken berührten einander. Jeder von ihnen wusste, warum sie gekommen waren.
Sie wird bald kommen. Winter war sich sicher, er konnte es fühlen in allem, was ihn umgab.
Sie wird kommen, aber sie wird blind sein. Nebel trat unentschlossen von einer Pfote auf die Andere. Ihre geringelte Schwanzspitze zuckte.
Wir sind nicht allein. Ich habe jemanden gefunden. Sie wird uns helfen. Sie hat bereits zugestimmt. Nachts gelbe Augen richteten sich auf etwas, das sich in der Dunkelheit bewegte. Winter und Nebel folgten seinem Blick. Aus der Dunkelheit trat eine Gestalt, schmal und zerbrechlich, ihre kleinen Pfoten verursachten kaum einen Laut auf den ersten gefallenen Blättern. Langsam, leicht geduckt und vorsichtig kam sie näher, ihre Schnurrhaare weit aufgefächert. Es irritierte sie sichtlich, dass sie Ihresgleichen sah und doch weder Geruch noch Geräusch wahrnahm. Winter sah, dass sie alt war. Um die Schnauze herum wurde ihr Fell grau, sie bewegte sich, als würden ihre Gelenke sie schmerzen und doch strahlte sie eine Würde aus, wie sie den ganz Alten ihrer Art zu Eigen ist. Grün leuchteten ihre Augen in der Dämmerung. In ihrer Jugend musste sie eine Schönheit gewesen sein, noch jetzt war Anmut in jedem ihrer behutsamen Schritte und ihr kurzes, glattes Fell zeigte noch immer Glanz. Ihre großen Ohren richteten sich auf.
Ich wurde gerufen. Und ich bin bereit. Ich weiß, was ich zu tun habe und ich weiß, woran ich sie erkenne. Ihr habt mich zur Botin gemacht und ich werde eure Botin sein, damit ein Kreis sich schließt und alte Wunden heilen können.
Die Alte näherte sich Winter und streckte ihre Nase der seinen entgegen. Er ahnte ihre Berührung mehr, als dass er sie fühlte, aber er wusste, als er die Alte spürte, dass Nacht eine gute Wahl getroffen hatte. In ihr war eine Krankheit. Sie verbarg es gut, aber Winter wusste, als sie ihm nahe war, dass ihre Zeit in diesem Körper nur noch kurz war. Nacheinander tauschte die Alte mit jedem der drei Schatten die Nasenberührung, dann wandte sie sich ab und schritt die Kastanienallee zur Hauptstraße hinunter, so sicher im Dunkeln und so leise, wie es nur eine Katze vermochte.

Romanschnipsel aus „Die rote Tür“

Auf zum Showdown. Ilaro hat Nadim gestellt. Und jetzt hat er Spaß.


Der Kampflärm kam aus einer der Höhle etwas näher am Hafen. Ilaro sah mehrere Gestalten im Mondlicht, die einander umkreisten, im Hintergrund lag ein unförmiges Bündel auf dem Sand. Er rannte los und versuchte, sich im Näherkommen ein Bild zu machen. Einer der Kämpfenden war ganz eindeutig Nadim, an seiner Seite focht ein weiterer Mann, ihnen gegenüber stand ein hochgewachsener Kerl und wirbelte einen Klingenstab herum, mit dem er sich Nadim und seinen Verbündeten zugleich vom Hals hielt und versuchte, die beiden nicht aus der Höhle herauszulassen, die sich hinter ihnen im Felsen öffnete.
„Nadim!“ Ilaro brüllte den Namen, schlitternd kam er neben dem Mann mit dem Klingenstab zum Stehen und ging mit gezogener Klinge in Stellung.
„Macht mit dem anderen, was Ihr wollt, aber der da gehört mir!“
Der Kerl mit dem Klingenstab grinste und salutierte. „Silberfuchs!“
„Derselbe!“ Er machte einen Ausfall in Nadims Richtung, versuchte, ihn von seinem Kumpanen zu trennen und ihn zugleich von Shayan wegzubekommen, der reglos im Sand lag, Blut schimmerte dunkel in seinem Haar und auf der blassblauen Haut. Ilaro hielt sich daran fest, dass der Shariach nicht tot sein konnte – Nadim würde sein Juwel nicht töten, und Ilaro hätte den Tod des Shariach gefühlt. So sehr er es hasste, gebunden zu sein, was das anging, war das Band nicht ganz unnütz.
Nadim lachte, aber seine Stirn glänzte schweißnass und sein Atem ging stoßweise. Er hatte Shayan bis hierher geschleppt, hier musste ihn sein Verbündeter in Empfang genommen haben und dann hatte der Mann mit dem Klingenstab ihn überrascht.
„Meerfee?“ rief Ilaro dem Klingenstabkrieger zu, und dieser nickte, zugleich wirbelte er den Stab herum und Nadims Kumpan duckte sich in letzter Sekunde, bevor das scharfe Messer ihm in den Hals dringen konnte. Der Mann knurrte, versuchte, an den Klingenstabkerl heranzukommen, aber der hatte einfach den besseren Stand – er war größer und er hatte die längere Waffe. Ilaro ging davon aus, dass der Seemann seinen Gegner allein bewältigen konnte, und konzentrierte sich ganz auf Nadim.
„Gib auf“, knirschte er zwischen den Zähnen, „ergib dich und ich sehe vielleicht davon ab, dich aufzuspießen. Nura ist gefangen. Du hast verspielt. Was auch immer passiert, wir werden dich kriegen!“
„Sei dir da… nicht so sicher, Silberfuchs!“
Ilaro machte einen weiteren Ausfall, Klinge prallte auf Klinge, als Nadim nicht ganz ungeschickt parierte und seinerseits einen Ausfallschritt machte. Ilaro tänzelte rückwärts und ließ sein Rapier wieder vorschnellen, es blitzte im Mondlicht.
„Womit willst du mich aufhalten, Tänzer? Ich sehe keine Armee, nur einen einzigen Mann, der gerade versucht, sich nicht umbringen zu lassen!“
Nadim gelang ein Grinsen. „Warte es ab…“
Der Tänzer tanzte, während er focht. Seien Schritte woben ein Muster, seine Füße tanzten Formen in den Sand, sein Rapier – Ilaro sah es, als es schon beinahe zu spät war. Nadim legte es gar nicht darauf an, ihn zu treffen, er focht einen Tanz und tanzte im Fechten, nicht auf Shayan zu, sondern um ihn herum!
„Nein!“
Ilaro schrie auf, als er die erste Rune blau im Sand aufflammen sah, „Nein! Du Wahnsinniger!“
Nadim lachte. Seine Augen weiteten sich, da war nichts Dunkles mehr in ihnen, nur noch ein beinahe irres blaugrünes Flackern, als sich die nächste Rune in blauem Feuer in den Sand fraß.
„Nadim, nicht!“ Ilaro drang wieder auf ihn ein, diesmal legte er es darauf an, ihn zu treffen, er ließ seine Klinge auf die des Tänzers prallen, durchkreuzte seine Muster, trat nach seinen Füßen. Nadim keuchte, als die nächste Rune direkt unter seinen Füßen aufleuchtete und sofort zu Asche zerfiel, als Ilaros Klinge sie durchstrich wie die Feder eines Lehrers ein falsch geschriebenes Wort auf dem Pergament des Schülers. Das Gesicht des Tänzers verzerrte sich vor Wut und… war es Angst, die in Nadims Augen aufflammte? Ilaro sah nur noch Nadims Augen. Der Tänzer focht und tanzte weiter und achtete kaum auf das, was um ihn herum geschah, er schien nur Ilaro wahrzunehmen – aber Ilaro sah sie, die winzige Bewegung in der Mitte des Kreises, als Shayan eine Hand ausstreckte und seine bebenden Finger um einen Stein schloss, der gerade eben in seine Hand passte. Ilaro versuchte, nicht zu Shayan zu blicken, er zwang sich, Nadim anzusehen, sprang vor, seine Klinge schabte über Nadims, das Rapier des Tänzers zuckte hoch und Ilaro spürte einen kalten, schneidenden Schmerz an seiner Schulter. Blut floss, er ignorierte es, knurrte und schob sich näher an den Tänzer heran, jetzt spürte er Nadims keuchenden Atem in seinem Gesicht. Der Tänzer lachte. Ilaro stand zu dicht vor ihm, er konnte nichts ausrichten mit seinem Rapier – doch Nadim ebensowenig.
„Patt“, murmelte er. „Gib auf, Nadim, das ist Wahnsinn, lass es!“
„Niemals!“
„Auch gut…“
Ilaro fühlte den Stein, als läge er in seiner eigenen Hand. In seinen Gedanken formte sich ein einziges Wort.
Jetzt.
Shayan rollte sich herum, kam auf die Beine und warf.
Mit einem seltsam trockenen Laut prallte der Stein an Nadims Hinterkopf. Die Augen des Tänzers weiteten sich ein letztes Mal, jetzt in ungläubigem Staunen, ein Mund öffnete sich zu einem stummen Protest – dann gaben seine Beine unter ihm nach und er sank in den Sand. Hinter ihm hatte der Matrose von der Meerfee seinen Gegner zu Boden gebracht und hielt ihn dort, eine Klinge seines Stabes am Hals des Mannes, er sich mit ausgebreiteten Armen ergab. Im Sand flammten Runen auf, mattblau und kränklich grün, und zerfielen zu Staub. Ilaro ließ sein Rapier fallen, eilte zu Shayan und zog den zitternden Shariach in seine Arme.
„Ich… ich habe meinen Meister angegriffen…“, murmelte er an Ilaros Schulter gedrückt, „aber… aber ich konnte nicht anders… er hätte einen anderen gerufen, etwas Größeres und Stärkeres als mich… und das hätte dann dich umgebracht!“
Ilaro sagte nichts. Er kniete im Sand und hielt Shayan fest, hielt ihn mit seinen Armen und mit seinen Gedanken.
Alles wird gut. Es ist vorbei.

Romanschnipsel aus „Die rote Tür“

Der NaNo ist zuende, das Buch noch nicht, es wird fleißig weitergeschrieben und langsam nähert sich der Showdown. Rasielle und Vennian schmieden Pläne zur Befreiung von Ilaro udn Shayan. Und in mir kommt der Rollenspieler durch. Been there, done that. Fazit: Pläne schmieden ist ein Riesenquark, das kostet nur Zeit und Nerven. Am Ende ist es doch immer dasselbe: Reingehen, das was man sucht, rausholen und flüchten. Und nebenbei ein paar Feinde abmurksen.

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„Vennian, ich dachte schon, du kommst gar nicht mehr wieder. Hat es dir so gut gefallen in der Rose?“
Er setzte sich auf einen der hochbeinigen Hocker. „Khava“, sagte er gespielt streng. „Was in der Rose passiert ist oder auch nicht, geht dich nichts an. Gibt es einen Grund, warum du so gute Laune hast?“
„Kann schon sein.“ Sie stellte einen dampfenden Becher vor Vennian, daneben einen Korb mit frisch gebackenen klebrigen Kuchen, die mehr aus Rosinen als aus Teig zu bestehen schienen. Vennian nahm einen und leckte sich die Finger ab. „Lass dir nicht alles aus der Nase ziehen.“
„Heute Abend kommt Mbalaq und bringt mir etwas mit. Ich war heute früh schon im Hafen und habe gerade die Meerfee einlaufen sehen. Ich wartete, bis sie festgemacht hatte, und konnte gleich mit dem Kapitän reden. Er verlangt einen horrenden Preis, aber ich denke, das ist es wert. Schließlich bekommen wir unseren Halbelfen zurück.“
Vennian nickte und legte seinen Geldbeutel auf den Tisch. Er hatte einige Edelsteine in der Rose gelassen, aber für den Kapitän würden die Saphire und Rubine sicherlich noch reichen. Rasielle spähte in den kleinen Ledersack und nickte. „Damit wird er zufrieden sein, ganz sicher. Fast schon schade, dass wir das Ambara werden vernichten müssen. Wir könnten es genauso teuer, wenn nicht teurer, wieder verkaufen!“ Rasielles Augen funkelten.
„Untersteh dich.“ Vennian sah sie an, sah das Lachen in ihren Augen und wusste, sie scherzte nur. „Gehst du heute schon zum Brunnen?“
Rasielle nickte. „Ich denke, wir ziehen das jetzt so schnell wie möglich durch. Konntest du mit dem Silberfuchs sprechen?“
Mehr als das…
„Ja. Ich war bei ihm. Und bei dem Dämon. Sie halten sie zusammen gefangen, weil der Dämon Ilaros Nähe braucht. Nadim hat bei der Beschwörung Fehler gemacht und Ilaro und den Dämonen aneinander gebunden. Ich hoffe, dass Venaro das wieder rückgängig machen kann.“
Rasielle pfiff leise durch die Zähne. „Es gibt also wirklich eine Dämonen. Und was ist mit dem Silberfuchs? Ist er… der Halbelf, den du suchst?“
„Ich bin mir mehr als nur ein wenig sicher. Ich werde ihn mit an den Hof nehmen, ja. Dieser Mann hat Traverrablut in seinen Adern. Es gibt Beweise.“ Vennian nahm einen Schluck Khava und aß noch einen der barbarisch süßen Rosinenkuchen. „In Ordnung, wenn du zum Brunnen gehst, werde ich die Klingen zusammentrommeln. Und sobald wir das Ambara haben, gehen wir in die Rose… bestehe darauf, dass du Nadim das Ambara in die Rose bringst. Ich brauche dich dort als Ablenkungsmanöver.“
Rasielles Augen leuchteten. „Ein Abenteuer!“ Sie strahlte wie ein kleines Kind, das Wintersonnenwendegeschenke bekommen hatte. „Ich darf dabeisein?“
„Ich brauche dich. Nadim weiß nicht, wie gut du kämpfst. Ich habe deine Klinge fest eingeplant – dein Überraschungsangriff verschafft uns Zeit. Ich habe inzwischen einiges von dem Haus gesehen… gib mir etwas zum schreiben, dann zeichne ich dir eine Karte.“
Rasielle holte Pergament und Kohlestifte, und Vennian zeichnete eine grobe Skizze des Hauses.
„Hier ist die Eingangshalle… dahinter liegt ein kleinerer Raum, in dem Nura seine besonderen Gäste empfängt, von dort aus führt auch ein Gang zu der roten Geheimtür, hinter der sie Ilaro und Shayan gefangenhalten. Das dort ist eine geräumige Gaststube. Von diesem Korridor gehen die Zimmer der Huren ab, auch von hier kommt man zu der roten Tür, und in den Badekeller. Wir müssen aufpassen, dass es niemand schafft, sich in die Keller abzusetzen, ich bin mir nicht sicher, ob es dort nicht doch Geheimgänge gibt. Hier ist die rote Tür, dahinter liegen mehrere Räume, die von einem zentralen Zimmer abgehen. Dort ist Shayan, das Zimmer daneben ist das, in dem sie Ilaro einsperren. Von beiden Zimmern gibt es Zugänge zu kleineren badekellern, aber dort sind auf keinen Fall Geheimgänge, wir haben schon alles abgesucht.“
„Nur weil ihr keine gefunden habt, heißt das nicht, dass keine da sind.“ Rasielle kaute auf ihrer Zopfspitze, wie immer, wenn sie aufgeregt war.
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass da keine sind.“ Vennian tippte mit dem Kohlestift auf die grobe Karte.
„Ich werde Klingen als Kunden getarnt in das Haus schicken, sie sollen sich in der Gaststube aufhalten und die Gäste unauffällig dazu bringen, zu gehen. Je weniger Volk im Haus ist, umso einfacher. Rasielle, ich denke, Nadim wird dich in diesem Hinterzimmer empfangen. Bist du noch so gut wie damals, als ich dich kennenlernte?“
Rasielle grinste, katzenhaft, wölfisch. „Willst du es ausprobieren?“
„Meinst du, du schaffst es, Nadim zu überwältgen? Allein?“
„Er ist ein Tänzer, er wird stark und kräftig sein, wendig und schnell. Aber ist er ein Kämpfer, und wird er bewaffnet sein? Er rechnet mit einer wehrlosen Frau, die kommt, um mit ihm ein Geschäft zu machen. Ich traue es mir zu, mit ihm fertigzuwerden.“
„Gut. Dann werde ich mir mit einer Klinge zusammen Nura vornehmen. In der Gaststube werden sechs sein, vielleicht acht, mehr wäre zu auffällig.“
Rasielle nickte. „Das klingt nach einem Plan.“ Sie lachte. „Das erinnert mich an alte Zeiten… Ich hatte bei Mbalaq angeheuert, wir wollten in den Süden von Ischar. Mbalaq hatte Gerüchte über Tempelruinen und Schätze gehört und wir schmiedeten Tage-und Nächte lang Pläne, wie wir es schaffen würden, an den Kriegsmönchen vorbeizukommen, die sich dort einquartiert und zu selbsternannten Hütern der Ruinen erklärt hatten. Wir waren zwanzig, die waren an die zweihundert. Und das letzte, was wir wollten, war, einfach hineinstürmen, alles erschlagen, was sich uns in den Weg stellt, und dann mit allen Schätzen, die wir tragen können, verschwinden. Also planten wir und planten, wie wir an den Kriegsmönchen vorbeikommen konnten, ohne viel kämpfen zu müssen… und am Ende lief es dann doch wieder auf das eine hinaus, das immer passiert – wir stürmten rein, erschlugen, was sich uns in den Weg stellte, bekamen entsetzlich eins aufs Dach und sind mit deutlich weniger Reichtümern wieder herausgekommen, als wir gehofft hatten. Um ehrlich zu sein, das Zeug war gerade mal so viel wert, dass wir die Schäden reparieren konnten, die die Katapulte der Mönche an unserem Schiff angerichtet hatten.“
Vennian grinste. „Wie gut, dass die Flammende Rose keine ischarische Tempelruine und wir keine Piraten sind.“
Rasielle zwinkerte. „Ein Pirat hört niemals wirklich auf, ein Pirat zu sein.“