Sigrid Hunold-Reime: Schattenmorellen

Das war Krimi-Lektüre vom feinsten. Spannend, emotional, mitreißend, ein Buch, das ich nicht aus der Hand legen konnte und das ich innerhalb eines Tages verschlungen habe, nachdem ich unvorsichtigerweise heute morgen beim Tee die erste Seite in meinem Kindle „aufschlug“.

Die 71-jährige Martha will frühmorgens die reifen Schattenmorellen in ihrem Garten im Cuxhavener Stadtteil Stickenbüttel ernten. Sie wird von einem Gewitter überrascht und fällt vom Baum. Mit einem gebrochenen Arm und einer Gehirnerschütterung wird Martha ins Krankenhaus eingeliefert. An den Unfall kann sie sich nicht mehr erinnern. Dafür umso besser an eine schicksalhafte Sommernacht vor 54 Jahren. Damals wütete auch ein Gewitter und es gab unter der Schattenmorelle einen Toten. Im Krankenhaus trifft sie die 48-jährige Eva, die als junges Mädchen ihre Nachbarin war. Für beide Frauen wird der Krankenhausaufenthalt eine harte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Dabei übersehen sie fast die tödlichen Gefahren der Gegenwart …

So der Klappentext von „Schattenmorellen“. Dahinter verbirgt sich eine komplexe Geschichte, in der sich Vergangenheit und Gegenwart miteinander verweben und unerwartete Wendungen auf jeder Seite lauern. Sigrid Hunold-Reime schreibt so mitreißend, dass es schwerfällt, das Buch aus der Hand zu legen, denn durch die Perspektive – die Geschichte ist komplett aus Marthas Sicht und im Präsens geschrieben – ist man ganz nah dran am Geschehen, man leidet mit Martha und so wie sie mit Eva leide, leidet man auch als LeserIn. Mit beiden Frauen.
Einen im Präsens verfasten Roman zu lesen ist für mich ungewohnt und gewöhnungsbedürftig, aber fiel mir nur am Anfang schwer. Schon nach wenigen Seiten war ich so hineingesogen in die so tragischen Geschichten dieser beiden ungleichen und doch so gleichen Frauen, dass ich das Präsens nicht mehr als ungewohnt empfunden habe, sondern als die einzige Art, auf die man diese Geschichte erzählen kann.

Da es gemein ist, die Auflösung eines Krimis zu verraten, sei nur so viel gesagt: das Ende ist böse. Extrem böse. Und ausgesprochen zufriedenstellend. Ich habe das Buch mit einem breiten, schadenfrohen Grinsen geschlossen und genieße es gerade, mich garstig für die Heldinnen zu freuen.