Tina liest: „Kaiserband“ von Tanja Rast
„Kaiserband“ von Tanja Rast ist der Auftaktroman der neuen Reihe „Der Schöne und das Biest“ des Autor*innenkollektivs „Die Uferlosen“. Wie schon in der vorangegangenen Reihe „Seelengefährten“ werden sich verschiedene Autor*innen mit dem Thema „Der Schöne und das Biest“ beschäftigen – angelehnt an das bekannte Märchen und doch vollkommen anders.
Kaiserband erzählt die Geschichte des blutjungen Kaisers Calino, der von seinem Onkel schon von Kindesbeinen an für den Thron vorbereitet wurde – allerdings in einer Weise, die eher dem Onkel selbst zugutekommt, als dem Kaiser selbst oder dessen Reich. Calino badet im Sonnenlicht von Reichtum und Ruhm, ist es gewöhnt, dass er alles, wonach er die Hand ausstreckt, umgehend bekommt, und bezieht das nicht nur auf Gegenstände, sondern auch auf Menschen. Neuestes Objekt seiner Begierde ist Arenakämpfer Borean, der in der Arena gelandet ist, um einem Todesurteil zu entgehen.
Als Calino beginnt, ihn mit Geschenken zu überhäufen und auf seine ganz eigene Calino-Art um ihn zu werben, führt das bei Borean eher zu unangenehmer als zu aufregend prickelnder Gänsehaut. Als Borean in der Arena verwundet und auf Calinos Befehl hin in den Palast gebracht wird, kann sich der Arenakämpfer Calinos Annäherungsversuchen nicht mehr entziehen – und fühlt sich in die Enge getrieben wie ein Tier.
Denn Calino wirbt nicht. Calino stellt Borean auf einen Sockel, bewundert ihn, überhäuft ihn mit Rosen, Süßigkeiten und Schmuck und will nichts anderes, als diesen wunderbaren Mann in sein Bett bekommen. Borean fühlt sich alles andere als umworben, und sieht bald nur noch einen Ausweg, um Calino zu entkommen. Erst, als es schon beinahe zu spät ist und Calino Borean beinahe verliert, lernt der junge Kaiser, dass er einen schwerwiegenden Fehler gemacht hat.
Kaiserband beginnt als Roman einer toxischen Beziehung. Dabei beschönigt und romantisiert die Autorin nichts und schildert in bildgewaltiger Sprache Boreans Widerwillen gegen die Annäherungsversuche des Kaisers und zeigt in einer so unter die Haut gehenden Weise Boreans Gefühle, dass ich beim Lesen mehr als nur einmal Ekelschauer und Mitgefühl für den großen Krieger spürte. Erst als Calino erkennt, wie sehr seine Art zu werben Borean in die Enge getrieben hat, beginnt er langsam, sich zu verändern, zu lernen und einzusehen, dass das, was er für Liebe gehalten hat, nichts als Begehren gewesen ist. Aus der zarten, sich auf der neuen Basis von gegenseitigem Respekt, Mitgefühl und Verständnis aufbauenden Freundschaft wird am Ende die Liebe, die Calino sich immer gewünscht hat.
Dass die beiden ungleichen Männer schließlich ihr Glück finden und Calino sich gegen seinen intriganten Onkel stellen kann, verdanken sie nicht zuletzt einer wunderbaren starken Frauenfigur: der Kaiserin Atisa, die von Calino ein Kind erwartet und von ihrem eigenen Vater zu einer pragmatisch und strategisch denkenden, selbstbewussten Frau erzogen wurde. Atisa ist für Borean ein Licht in der Dunkelheit und für Calino der Anker, den der bisexuelle Kaiser dringend braucht – und die Dreiecksbeziehung, die Kaiser, Kaiserin und Kämpfer am Ende verbindet, hat mich als Leserin ausgesprochen zufrieden zurückgelassen.
Kaiserband ist ein regenbogenbunter Roman, der ohne explizite Sexszenen dennoch knistert und eine zu Anfang extrem toxische Beziehung als genau das schildert: als eine toxische Beziehung, an der nichts romantisch ist. Ich bin froh über diesen Roman und seine Botschaft und vergebe volle 5 Sterne. Und das nur, weil es keine sechs gibt.