Tina liest: „Das gefälschte Siegel – die Neraval-Saga 1“ von Maja Ilisch

Sollte ich dieses Buch mit wenigen Worten zusammenfassen, würden mir als erste diese einfallen: Traue niemandem. Vor allem dir selbst nicht. Und würde man ein Kammerspiel, ein Charakterstück, mit einem High Fantasy-Roman kreuzen, dann würde garantiert Das gefälschte Siegel dabei herauskommen, der erste Teil der Neraval-Saga von Maja Ilisch, die mit diesem Buch ihr High Fantasy-Debüt bei Klett-Cotta feiert.

Das Cover ist schon mal ein echter Hingucker mit der wie ein Siegel angeordneten Titelei, und in der Landschaft, in der ich vage die vier Gefährten erkenne, die die Handlung des Romans tragen, sehe ich ein Abbild der Stadt im Nebelreich.

Worum geht es? Um Kevron, der einst ein begnadeter Fälscher war, steht es nicht zum Besten. Schulden, Alkohol und sein angeborener Hang zur Faulheit haben ihn fest im Griff. Da klopft es eines Tages an seine Tür. Vor der Kammer steht kein Geringerer als der geschwätzige Prinz Tymur und sein Anliegen duldet keinen Aufschub.

Es ist das größte und gefährlichste Geheimnis des Landes: Vor vielen Tausend Jahren brachten der sagenumwobene Held Damar und die Zauberin Illiane einen Erzdämon zur Strecke und bannten ihn in eine Schriftrolle. Unter den wenigen, die davon wissen, gibt es einen schrecklichen Verdacht: Wurde das Siegel der Rolle gebrochen? Ist der Dämon entwichen?
Ein verlotterter Fälscher Namens Kevron Kaltnadel erhält vom König den Auftrag der Sache nachzugehen. Es ist ungemütlich, es ist anstrengend und es ist gefährlich – aber Kevron bleibt keine Wahl. Die Spur führt ins ferne Nebelreich und wer hier verlorengeht, den wird man nicht vermissen.

Der Auftakt der Neraval-Saga kommt spannend daher, aber ohne große Action, und doch mit allem, was eine High Fantasy-Geschichte braucht: einem sagenumwobenen Helden, einem gebannten Dämonen, machtvoller Magie, einem fremdartigen Volk und kryptische Prophezeiungen. Auf der Bühne stehen vier Gestalten, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: Prinz Tymur, der in ständiger Furcht davor lebt, den Dämon bereits befreit und von ihm besessen zu sein. Fälscher Kev Kaltnadel, gefangen in Albträumen und ständig im Kampf gegen seine ganz eigenen Dämonen, von denen Drogen und Alkohol nur die Geringsten aller Probleme darstellen. Der Steinerne Wächter Lorcan, einst einer der erwählten Neun, die in den Katakomben der Burg Neraval die Schriftrolle hüten und vor Zugriff bewahren wollen, seines Postens enthoben durch eigenes Tun – denn Locan entdeckte, wie es um die Steinernen bestellt ist, und fühlte sich nicht mehr wohl dabei, ein Teil davon zu sein: menschlich, schwach und doch nicht so gefeit allen weltlichen Versuchungen gegenüber, wie ein Steinerner es eigentlich sein sollte. Die Vierte im Bunde ist Enidin, eine junge Zauberin, die sich die Teilnahme an der Expedition ins Nebelreich durch Selbstbewusstsein und Forschheit geradezu erschleicht – doch eins muss man ihr lassen, die Kleine ist richtig gut.

Während die vier Gefährten, die eher eine Zwangsgemeinschaft als eine eingeschworene Abenteurertruppe sind, sich auf den Weg ins Nebelreich machen, um die mächtige Ililiané zu finden, die Zauberin, die damals mit Tymurs Ahnherrn Damar den Dämon La-Esh-Amon-Ri in die Schriftrolle bannte, entspinnt sich zwischen den Gefährten ein gelungenes Charakterspiel aus Vertrauen und Zurückweisung, Eigennutz und Hilfsbereitschaft, Vorwürfen und Verzeihen. Und es zeigt sich, dass jeder der Vier seine beziehungsweise ihre ganz eigenen Dämonen mit sich herumschleppt, heißen sie nun La-Esh-Amon-Ri, Wein und Katzenkraut, Loyalität und Liebe oder Wissen, Macht und unbändiger Ehrgeiz. Fast könnte man meinen, in den vier Gefährten gibt sich eine Abordnung von Todsünden die Ehre und versucht, irgendwie die Welt zu retten – jeder auf seine Weise, jeder mit seiner oder ihrer ganz eigenen Motivation und mit ganz eigenen Zielen.

Der Roman endet mit einer überraschenden Wendung, mit der ich so nicht gerechnet habe – da bin ich Maja Ilisch komplett in die Falle gerannt. Ich warne: wer dieses Buch liest und sich in die Figuren verliebt, so wie ich es getan habe, wird am Ende fingernägelkauend da sitzen und sich genötigt fühlen, der Autorin jeden Tag eine Mail mit der Frage Wann geht es weiter? zu schicken.  Ich habe mich mit viel Freude in die abenteuerliche Reise von Kev und Tymur gestürzt. Und falls jemand Tymur schütteln möchte: stellt euch hinten an. Ich zuerst.

Tina liest: Flammensturm von Tanja Rast

Mit Spannung erwartet habe ich den zweiten Band der Uferlos-Reihe „Seelengefährten“, in der verschiedene Autorinnen das Thema „Seelengefährten“ aufgreifen und ihre eigene Interpretation in Buchform bringen. Nach „Das Mondmal“ von Regina Mars, das mir schon ausnehmend gut gefallen hat, setzt Tanja Rast die Reihe nun mit „Flammensturm“ fort. Tanja Rast bedient zwei Genres:

Schlachten und Schmachten oder auch „Conan für Frauen“ und Gay Fantasy Romance. „Flammensturm“ ist die perfekte Mischung dieser beiden Genres – es gibt ein wunderbares Männerpaar, epische Schlachten, fiese Monster, Blut – aber auch zarte und romantische Momente voller großer Gefühle.

Ich bin begeistert von diesem Roman. Ich habe schon einiges von Tanja Rast gelesen, aber „Flammensturm“, die Geschichte um die Seelengefährten Curan und Zeriac, hat mich so begeistert, dass ich behaupte, dies ist das bisher beste Rast-Buch. Zumindest für mich.

Worum geht’s?  – Das Autorenkollektiv „Die Uferlosen“ präsentiert: „Seelengefährten“. In jedem Buch wird das Thema neu interpretiert, aber eins haben alle Bände gemeinsam: Sie gehen direkt ins Herz.

Der Klappentext: Geschichte neigt dazu, sich zu wiederholen. Aus gutem Grund bewahren die Elfen die Geschichten über ein Krieger- und Liebespaar, das einst die Albtraumgespinste zurückgeschlagen hat.

Mit Lobpreisung hat Elfenkrieger und Hitzkopf Zeriac gerechnet, als er einen der verhassten menschlichen Soldaten als Gefangenen ins Lager schleppt. Aber es kommt anders: Ein Blick auf den sanften und allzu höflichen Hünen Curan genügt der Stammesältesten, um den beiden jungen Männern Scheußliches zu eröffnen. Dabei stellt die Rückkehr der monströsen Albtraumgespinste das kleinste Problem dar, findet Zeriac. Schlimmer ist das, was die Alte da über ein mystisches Paar faselt …

Zeriac kennt die Legende natürlich, sieht aber gar nicht ein, sich sein Leben von einer angeblichen Schicksalsmacht vorschreiben zu lassen – und wen er gefälligst zu lieben hat! Doch die Armeen der Albtraumkönigin rücken unaufhaltsam vor, und Zeriac und Curan stehen vor ihrer größten Schlacht. Denn den monströsen Kreaturen ist es gleich, ob sie Mensch, Zwerg oder Elf zerfleischen …

Temporeich, spannend, humorvoll und voller großer Gefühle erzählt Tanja Rast die Geschichte der Seelengefährten Curan und Zeriac, die als Einzige die finstere Albtraumkönigin besiegen können. Deren Gespinste, Monster geboren aus den Albträumen von Menschen, Zwergen und Elfen, bevölkern mehr und mehr das Land und rotten sich dort zusammen, wo viele Träumende auf einem Haufen sitzen: der Garnisonsstadt Barinne. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die Liebesgeschichte zwischen dem Soldaten Curan und dem Elfen Zeriac, der einst als Kriegsgeisel bei einem menschlichen Ziehvater unter Menschen aufgewachsen ist. Noch immer herrschen Spannungen zwischen Elfen und Menschen, doch Curan verfällt Zeriacs wilder Schönheit und Anmut vom ersten Augenblick an. Etwas zieht die Beiden zueinander – ein Seelenband, wie sie erfahren, und wie es bisher in der Geschichte nur zwischen Zwergen zustande gekommen ist.

Während beide noch damit hadern, ob ihre Gefühle füreinander echt sind oder nur dem Wirken des Seelenbandes geschuldet, müssen sich Curan und Zeriac der Aufgabe stellen, die den Seelengefährten seit jeher bestimmt ist: nur sie können die Albtraumkönigin besiegen. So wie vor vielen Jahren ein anderes Seelengefährtenpaar: die Zwerge Kal und und Ten, deren Geschichte Tanja Rast gekonnt mit den Geschehnissen in Curans und Zeriacs Zeit verwebt. Im Grunde erzählt Flammensturm zwei Geschichten: Kals und Tens und Curans und Zeriacs, und wie sich die Geschehnisse im Zeitenlauf wiederholen. Damit transportiert sie eine wichtige Botschaft: Geschichte wiederholt sich. Und es braucht manchmal echte Helden, um den Lauf der Geschichte zu stoppen oder zumindest die Monster zu vernichten, wenn diese wieder ihre Köpfe erheben.

Fazit: ich konnte dieses Buch einfach nicht weglegen, es hat mich vom ersten Moment an gefesselt. Zudem hat Tanja Rast es diesmal wirklich drauf, jedes Kapitel so zu beenden, dass man sofort weiterlesen möchte. Eine ganz klare 5-Sterne-Empfehlung für alle, die dramatische High Fantasy, ein charmantes Männerpaar und epische Schlachten schätzen.

Tina liest: „Neun Leben, achtzehn Krallen“ von Andrea Weil

Ein Katzenroman! Natürlich kann eine, die sich selbst auf die Fahne schreibt, hin und wieder auch mal „irgendwas mit Katzen“ zu schreiben, nicht an einem neuen Katzenroman vorbeigehen, schon gar nicht, wenn er so detailverliebt und katzennah geschrieben wurde. „Neun Leben, achtzehn Krallen“ ist ein Buch, das mir als bekennende crazy catlady sehr viel Spaß gemacht hat.

Der Klappentext: Tod liebt Katzen. Deshalb hat sie ihnen als einzigen Wesen neun Leben gegeben. Und die kann Mrri, der unzähmbare Straßenkater, auch brauchen. Er ist der Herrscher des Aikenwegs, bezirzt die halbe Nachbarschaft und ist vor der anderen Hälfte auf der Flucht, wenn er ihre Goldfischteiche leer angelt oder Bettlaken ruiniert. Weil ihn seine Familie einst aussetzte, hat er sich geschworen, nie wieder sein Herz an einen Menschen zu hängen. Ausgerechnet der grimmige Witwer Benno bringt diesen Entschluss ins Wanken. Doch dann taucht Tod wieder auf und verlangt ein weiteres Leben.

Allein beim Aikenweg schlug mein Katzenbuchliebhaberherz schon höher, ist dieser Straßenname doch eine liebevolle Hommage an ein ganz besonderes Katzenbuch, das ich ebenso wie Autorin Andrea Weil sehr liebe: „Solos Reise“ von Joy Smith Aiken. Ein weiteres persönliches Highlight: die Namen der tierischen Protagonisten. Natürlich nicht die Namen, die die im Buch vorkommenden Menschen ihnen geben, sondern die, unter denen sie sich selbst kennen und benennen: Mrri, Meo, Nau oder Roa, diese Namen klingen doch alle wie die Laute, die alle Katzenhalter so gut von ihren Tieren kennen.

Auch bei den Beschreibungen bleibt Andrea Weil ganz und gar in Katzenperspektive. Ihre Katzen lächeln nicht, sondern blinzeln, sie reiben zum Gruß ihre Nasen aneinander, und ein Schwanzschlenker sagt mehr als tausend Worte es je ausdrücken können. Gerade diese kleinen, aber wie ich finde für einen Tierroman so wichtigen Details haben mir sehr viel Spaß gemacht. Andrea Weil erzählt Mrris Geschichte, ohne die Katzen zu vermenschlichen. Katergesänge und fliegende Fellbüschel beim Revierkampf gehören dazu genauso wie die Beschreibung eines in der Sonne dösenden Mrri auf dem Garagendach.

Und dann die Namen für die Menschen! Einfach herrlich, denn Mrri bezeichnet die Menschen nicht mit ihren menschlichen Namen. Da gibt es Familie Wilddose, bei denen es immer besagtes Dosenfutter abzustauben gibt, oder Oma Milch – aus Gründen. Dann den Herrn Scharrecke, bei dem ich erst mal überlegen musste. Ja, klar, Scharr-Ecke. Klar, wozu Mrri dessen Blumenbeete missbraucht, oder?

Der einzige Mensch, der einen Namen hat und in Mrris Perspektive auch immer einen Namen hat, ist Benno. Benno, der einsame alte Mann, der sich über den Besuch eines Katers freut, nachdem Tod seine Frau mitgenommen hat.

Tod ist in dieser Geschichte ein Wesen mit vielen Gesichtern – mal erscheint sie als liebevolle, sanfte Frau, mal als knurriger großer Hund, aber immer ist sie freundlich und auch ein bisschen traurig über das, was sie tun muss. Doch als sie Mrri vor die alles entscheidende Wahl stellt, weiß der Kater ganz genau, was er will. Was das ist? Am besten lest ihr das selbst!

Miau!

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