Interview: Tanja Rast über Selfpublishing und „Königsmacher“

Danke, dass Du dich für dieses Interview zur Verfügung gestellt hast!
1. Liebe Tanja, wer hier regelmäßig mitliest, kennt Dich ja schon – vielleicht magst Du dich trotzdem noch mal kurz vostellen?

Ich glaube, in einem früheren Leben wäre ich Barde oder Skalde geworden. Ich lebe mit Geschichten, fühle mich von kleinen, wild plappernden Ideen umzingelt und versuche eigentlich beständig, schnell genug zu schreiben, um keine von ihnen zu enttäuschen.
Sonst bin ich Schleswig-Holsteinerin aus Überzeugung, lebe auf dem wirklich platten Land umgeben von Äckern, Wiesen und Wäldern. Nachts höre ich Rehböcke bellen, und auf unseren schmalen Straßen kann einem schon mal ein renitentes Wildschwein die Weiterfahrt verbieten.

2. Du bist neuerdings unter die Selfpublisher gegangen. Was hat Dich zu diesem Schritt bewogen?

Ich schreibe zu viel?
Ich arbeite hauptsächlich mit zwei wundervollen, engagierten Kleinverlegern zusammen. Deren Programm ist natürlich mengenmäßig begrenzt. Und da ich als neues Genre für mich Gay Fantasy Romance entdeckt habe, bot es sich nahezu an, mit diesem neuen Genre die für mich neuen Möglichkeiten des Selfpublishing zu probieren. Ich möchte gerne zu jenen gehören, die niemals nie sagen. Ich möchte Neues wagen. Wenn ich etwas nicht ausprobiert habe, kann ich mir kein Urteil dazu gestatten.

3. Dein erstes im Selbstverlag erschienenes Buch ist „Königsmacher“, eine turbulente, spannende und witzige Gay-Romance-Fantasygeschichte. Wie bist Du dazu gekommen, Gay Romance zu schreiben? Was fasziniert dich daran?

Das war für mich nicht unbedingt ein Quantensprung. Ich war schon immer ein Genre-Hüpfer. Ich habe mit High Fantasy angefangen, eine Zeitlang US-Agententhriller geschrieben (bis ich Klaxdonnersbüll und somit Dorf Fantasy für mich entdeckte), bevor ich dreizehn Vampirromane, diverse Kurzgeschichten aller möglichen Fantasyspielarten und zehn Heroic-Romantic-Fantasy-Romane schrieb. Immer wieder kamen dabei auch schwule Nebenfiguren vor.
Wer „Arrion“ und „Cajan“ gelesen hat, weiß, dass ich meine Helden gerne anschmachte, beziehungsweise sie von meinen Heldinnen anschmachten lasse. Oftmals gibt es wichtige Nebenfiguren, die schwul sind. Mich auf Gay Romance einzulassen, das Genre auszuprobieren und viel Spaß dabei zu haben, war eigentlich nur ein logischer Schritt.
Abenteuer im phantastischen Setting mit (manchmal) Elfen, Magie, Geistern, Explosionen und zwei wundervollen jungen Männern – klasse!

4. Selfpublishing macht vielen Autoren ein bisschen Angst. Der Aufwand, die Formatierungen, Steuerliches. Ist das alles wirklich so schwierig? Wie sind deine Erfahrungen?

So fürchterlich erfahren bin ich ja noch nicht. Aber ich war aufgeregt. Drei Formate – drei Portale. Die Portale, die die Veröffentlichungsarbeit unterstützen, werden zwar immer besser und autorenfreundlicher, trotzdem neige ich zur Panik „Ein falscher Klick, und das Internet explodiert“. Zum Glück hatte ich tatkräftige Hilfe, nicht nur durch meine wundervollen Betaleserinnen, meine Lektorin, meine Endkorrektorin und meine Coverfee. Sondern auch beim Erstellen der E-Books; den Buchsatz für die Taschenbücher kann ich alleine, und das macht mir auch sehr viel Spaß. Dann ging es um die drei Portale, und glücklicherweise wurde ich an die Hand genommen. Sehr schwer ist es eigentlich nicht, aber beim ersten Mal stellte eine hilfreiche Stimme im Kopfhörer eine große Erleichterung dar.

5. Was rätst du Autoren, die sich als Selfpublisher versuchen wollen?

Ich rate jedem Autor zu liebevoller Sorgfalt, ganz eindeutig. Vor noch nicht allzu langer Zeit hatte Selfpublishing ein regelrechtes Schmuddelimage. Das waren eben die, für die es nicht für einen Verlagsvertrag gereicht hat, hieß es. Die Werke voller Tippfehler und mit scheußlichen Covern, hieß es. Selfpublishing wird aber erwachsen. Es gibt mehr freiwillige Qualitätskontrollen und das Bewusstsein für eben diese Qualität. Autoren investieren zum Beispiel in Lektorat und Coverdesign. Ich bin schon mit Strichmännchen überfordert, und ich weiß das und gebe es auch vor mir selbst zu. Die eigenen Schwächen und Stärken kennen und dementsprechend handeln, das halte ich für ganz wichtig.
Es gibt ganz bestimmt noch immer Selfpublisher, die alles mit der heißen Nadel hinhuschen. So wie es auch Autoren mit Verlagsambitionen geben mag, die sich sagen, für Rechtschreibung ist doch der Lektor da. Und nein, ich finde, es genügt nicht, eine tolle Geschichte zu erzählen. Sie sollte auch lesbar sein und nicht unter einem Wust von Flüchtigkeitsfehlern untergehen.

6. Der „Königsmacher“-Untertitel „Der Magie verfallen I“ verspricht eine Reihe. Was für Pläne hast du noch für deine Selfpublisher-Karriere?

Auf jeden Fall mache ich mit „Der Magie verfallen“ weiter. Dieses Jahr erscheinen noch „Elfenstein“, „Klosterschatz“ und „Feuerzauber“. Und im November stelle ich auf meinem Blog dann alle acht Helden für eine „Mister 2017“-Wahl auf. Derzeit schreibe ich am siebten Roman, der achte ist bereits im Kopf vorhanden. Wird es eine dritte Staffel geben? Ich hoffe!
Ich habe auch noch andere Eisen im Feuer. Weitere Heroic-Romantic-Fantasy-Romane liegen im Gefolge von „Arrion“ und „Cajan“ beim Verlag. Aber niemand hetzt mich. Ich werde weiterhin das schreiben, wozu ich Lust habe, der Idee hinterher joggen, die am heftigsten an meinem Ärmel zupft und um Aufmerksamkeit buhlt. Mein Ausflug ins Steampunk-Genre wartet noch darauf, um- und dann weitergeschrieben zu werden. Da gibt es Verlagsinteresse. Mein großer High-Fantasy-Mehrteiler möchte noch geschrieben werden. Und neulich tauchte schüchtern „Odins Waisen“ wieder auf. Den allerersten Fitzel dieses Romans schrieb ich 2010 für den Arcanum Fantasy Verlag, wo die Reihe leider nach der ersten Staffel eingestampft wurde. Den Roman komplett neu aufzuziehen und dann zu einem wohlverdienten Ende zu bringen, reizt mich immer noch sehr.

7. Siehst du einen Vorteil von Selfpublishing gegenüber Verlagsveröffentlichungen? Siehst du vielleicht auch Gefahren?

Ich sehe Vor- und Nachteile, weswegen ich gerne ein sogenannter Hybridautor bleiben möchte. Im Augenblick reizt mich vor allem die Geschwindigkeit. Jeder Verleger muss auf seine Programmplätze achten, mehr als einen Autor berücksichtigen, unternehmerisches Risiko abwägen. Ich habe weiter oben schon gesagt, dass ich gerne viel und schnell schreibe, was den Vorteil hat, dass ich über einen Stapel fertiger, ausgehfeiner Manuskripte in der Schublade verfüge. Ich bin ein eher ängstlicher Mensch, und mein Alptraum wäre es von jeher gewesen, einen Roman herauszubringen und dann auf die Frage nach mehr mit leeren Händen da zu stehen. Das ist ein Credo, dem ich auch bei „Der Magie verfallen“ treu geblieben bin. „Königsmacher“ habe ich vor ziemlich genau einem Jahr vollendet, aber ich wollte mir Zeit lassen und nichts überstürzen, mit den Veröffentlichungen erst beginnen, wenn die erste Staffel komplett beisammen ist. Das ist mir so gut gelungen, dass ich letztes Jahr sieben Romane geschrieben habe. Anfangs wusste ich noch nicht sicher, ob ich den Schritt zum Selfpublishing wagen sollte, aber mir wurde rasch genug klar, dass mein Traum von vier Romanen je Staffel und je Jahr nur auf diesem Weg möglich sein konnte.
In den Vorteilen liegen auch die Nachteile: Ich habe alles in der Hand. Ich suche die Bilder für meine Cover aus, setze das Taschenbuch und bestimme den Veröffentlichungstermin. Da heißt es, auf lange Sicht planen, einen Rhythmus finden und dann die Romane zum Stichtag auch auf Hochglanz poliert bereit zu halten. Der nächste Nachteil ist Werbung. Ich bin kein Marktschreier und weiß auch von mir selbst, wie schnell mich Leute in den sozialen Medien nerven, die jeden Tag sechs Werbetweets mit immer dem gleichen Inhalt schreiben. Ich folge interessanten Menschen und hoffe meinerseits, interessante Inhalte zu präsentieren. Doch eine Präsenz auf Messen und Convents/Conventions werde ich mit meinen Selfpublisher-Romanen eher nicht erreichen. Die Reichweite eines Verlags fehlt mir da ganz eindeutig.
Gefahren? Generell die heiße Nadel, den selbstgemachten Druck, immer mehr und immer schneller zu veröffentlichen, wobei Qualität und Sorgfalt hintenüberfallen können. Ich möchte mit meinen Geschichten Leserinnen und Leser erreichen, die so viel Spaß an meinen Romanen haben, wie ich ihn beim Schreiben hatte.

8. Woher nimmst du die Ideen für deine Gay Romance-Reihe?

Ideen? Das sind die kleinen flauschigen Viecher mit den Kulleraugen und den frechen Patschehändchen, die sich immer an meinem Ärmel festklammern, aufgeregt brabbeln und meine Schokolade auffuttern!
Meine Ideen starten meist als sehr karge Ein-Satz-Inspirationsfunken: Sie waren einmal ein Paar, bis es fürchterlich krachte. Meistens taucht im Schlepptau dieses Funkens die erste Figur auf – noch sehr nebelhaft, häufig noch ohne Namen, aber schon mit hervorstechenden Charaktereigenschaften. Wenn ich Glück habe, schleppt diese erste Figur die zweite mit an, ein Konflikt zeichnet sich ab, ich suche einen Gegenspieler, und mit einem Mal ist es ein buntes Mosaik, und die Steine fallen von ganz alleine an ihren Platz.
Und wenn ich gerade so schön dabei bin und ohnehin im Kreativitätsmodus, tappsen plötzlich noch zwei bis drei flauschige Ideenviecher an und winken hektisch, um meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Nun, es gibt erheblich Schlimmeres!